Das geht an die Nieren!

von Larissa Schöb - Nierenerkrankungen gehören nicht zu den häufigsten Erkrankungen bei Pferden, sind aber auch keine Seltenheit. Oft werden sie sehr spät diagnostiziert, weil sich eine chronische Nierenschädigung im Blut erst im weit fortgeschrittenen Stadium manifestiert. Für Pferde gibt es keine Dialysen, und die Behandlungsmöglichkeiten sind im späten Stadium sehr begrenzt. Umso wichtiger ist es, die Symptome frühzeitig zu erkennen.


Aufgaben der Nieren
Wie wir Menschen besitzen auch Pferde zwei Nieren. Die rechte Niere ist beim Pferd herzförmig, die linke bohnenförmig. Sie sind neben dem Darm, der Leber und der Haut das wichtigste Entgiftungsorgan des Organismus und scheiden Endprodukte des Eiweiss-Stoffwechsels, wie beispielsweise Harnstoff aus. Damit reinigen sie das Blut und verhindern eine „Vergiftung“ des Körpers. Daneben übernehmen sie weitere wichtige Aufgaben im Wasseraustausch des Körpers sowie im Elektrolyt- und Säuren-Basen-Haushalt. Durch die Hormonproduktion haben sie zudem Einfluss auf die Bildung von roten Blutkörperchen und auf den Blutdruck. Die Nieren sind ein gut durchblutetes Organ: beim Pferd fliessen täglich ca. 6600 Liter Blut hindurch.

tl_files/pferdeweb/artikelbilder/015-nieren/001-nieren.jpgSymptome einer Nierenerkrankung
Wenn die Pferdenieren nur noch beschränkt funktionieren,fällt das nicht sofort auf. Die beiden Nieren unterstützen sich gegenseitig in ihrer Arbeit und kompensieren so einen Grossteil der Schwäche. Die klinischen Anzeichen eines chronischen Nierenproblems treten häufig erst sehr spät im Krankheitsverlauf auf. Oft ist dann bereits der Grossteil des Nierengewebes geschädigt. Symptomen können eine verringerte Harnmenge (Oligurie) oder ein häufiges Harnabsetzen (Polyurie) sein. Vielfach trinken die Pferde grosse Mengen an Wasser (Polydipsie). Die betroffenen Pferde sind schlapp, haben wenig Fresslust und verlieren an Gewicht. Zeitweilig kann Durchfall auftreten. Das Fell wird struppig und matt und die Pferde zeigen verminderte Leistungsbereitschaft. Der Gesichtsausdruck ist müde und schwermütig. Das liegt an der narkotisierenden Wirkung des Harnstoffs, der nicht mehr richtig abtransportiert werden kann. Auch die Farbe und die Konsistenz des Harns können sich verändern. Die Symptome sind je nach Ursache und Art der Nierenerkrankung unterschiedlich und können plötzlich oder schleichend auftreten.

Ist es zu einer irreparablen Nierenschädigung gekommen, entwickelt sich in der Regel eine chronische Niereninsuffizienz (CNI). Das chronische Nierenversagen kann unterschiedlich schnell voranschreiten. Ist nur ein kleiner Teil des Nierengewebes zerstört und dadurch nicht mehr in der Lage seine Funktion auszuüben, kann dies über längere Zeit vom restlichen Gewebe ausgeglichen werden. Die Belastung des noch gesunden Nierengewebes steigt jedoch immer weiter an. Der Körper reagiert auf die verminderte Filtrationsleistung der Nieren mit einer Erhöhung des Blutdrucks, um die Kapazität an durchfliessendem Blut zu erhöhen. So entsteht ein Teufelskreis: Immer mehr gesundes Nierengewebe nimmt Schaden. Im späteren Krankheitsverlauf kommt es zu Wasseransammlungen (Ödemen) am Unterbauch und an der Unterbrust - das Wasser wird nicht mehr abtransportiert und die Pferde sind nicht mehr in der Lage, Harn abzusetzen. So behalten die Tiere die harnpflichtigen Stoffe im Körper, was zu einer Harnvergiftung (Urämie) führt. In diesem Stadium wäre beim Menschen eine Dialyse (Blutreinigung durch eine „künstliche“ Niere) oder eine Transplantation überlebenswichtig. Da es für Pferde diese Möglichkeiten nicht gibt, hat das Versagen der Nieren den raschen Tod zur Folge.

Diagnostik
Um Nierenerkrankungen zu diagnostizieren, werden Blut- und Urin-Analysen sowie Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Bei der Blutuntersuchung sind die Werte von Harnstoff, Elektrolyte und Kreatinin entscheidend:
Kreatinin ist ein Abbauprodukt des Muskel-Stoffwechsels. Es wird über die gesunden Nieren mit dem Harn ausgeschieden. Da Kreatinin als Stoffwechselprodukt fast vollständig herausgefiltert wird, verwendet man es als Indikator, um die Filtrationsleistung der Nieren zu überprüfen. Der Kreatininspiegel im Blut ist abhängig vom Alter des Pferdes, vom Geschlecht, von der Muskelmasse und von der Nierentätigkeit. Allerdings steigt der Kreatininspiegel im Blut erst an, wenn ca. über 50% der Nierenleistung ausfallen.
Harnstoff ist das Endprodukt des Eiweiss-Stoffwechsels. Aus dem Stickstoff, der beim Eiweissabbau entsteht, wird in der Leber Ammoniak gebildet. Aus Kohlendioxid und Ammoniak entsteht dann Harnstoff. Dieser wird bis zu 90% durch die Nieren abgebaut, der Rest wird über Schweiss und Darmsekret ausgeschieden. Da die Nieren den Harnstoff aus dem Blut filtern, kann eine Erhöhung des Harnstoffes ebenfalls im Zusammenhang mit einer Nierenfunktionsstörung stehen.
Zusätzlich werden bei einem Blutbild auch Elektrolyte (Natrium, Calcium, Kalium, etc.) untersucht, da die Nieren sehr stark an der Regulierung des Elektrolyt-Haushalts beteiligt sind.

Behandlung
Ist eine chronische Niereninsuffizienz vorhanden, geht man von einem irreparablen Nierenschaden aus. In der Regel gilt eine CNI als unheilbar - denn für Pferde gibt es keine Dialysemöglichkeiten. Mit Infusionen in die Dosselvene am Hals versucht man die Krankheit zu verlangsamen. Mit dieser Massnahme soll die Harntätigkeit angeregt werden. Ausserhalb einer Klinik kann alternativ eine Nasenschlundsonde direkt in den Magen gelegt werden, um dem Pferd grosse Mengen Flüssigkeit einzuflössen. Aufbau einer PferdeniereSind neben der chronischen Niereninsuffizienz Harnsteine vorhanden, wird versucht, diese zu entfernen. Dank diesen Behandlungen ist es gelegentlich möglich den Krankheitszustand zu stabilisieren. Das betroffene Tier kann so noch einige Zeit ohne Behandlung weiterleben. An Pferde mit Nierenleiden sollen möglichst wenig nierentoxische Substanzen und Medikamente, wie beispielsweise Entzündungshemmer oder Antibiotika, verabreicht werden. Zudem sollte die Fütterung des betroffenen Tieres mit Hilfe von Fachpersonen überprüft werden. Bei schwer erkrankten Pferden sind diese Massnahmen und Behandlungsmöglichkeiten aber nicht von dauerhaftem Erfolg. In einem solchen Fall scheint die Erlösung des Tieres die beste Lösung zu sein.

Ursachen
Sehr oft basieren Nierenerkrankungen auf anderen gesundheitlichen Probleme. Als Ursachen kommen beispielsweise entzündliche Krankheiten (wie Blasen- und Nierenbeckenentzündungen) oder infektiöse Krankheiten (z.B. Druse) in Frage. Aber auch nierentoxische Medikamente (Entzündungshemmer oder Antibiotika) in einer Überdosierung oder in Langzeitanwendungen können die Nieren massiv schädigen. Kreislaufbedingte Durchblutungsstörungen (z.B. Koliken, Flüssigkeitsmängel durch Durchfall) führen dazu, dass die Nieren nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Dadurch wird das Blut nicht mehr mit gleichem Druck durch die Nieren transportiert. Zusätzlich kommt die Aufnahme von bestimmten Giftstoffen oder Giftpflanzen als Ursache in Frage.

Futter mit zu hohem Poteingehalt führen dazu, dass sich die Harnstoffmenge erhöht, die durch die Nieren ausgeschieden werden muss. Dies kann das Nierengewebe stark belasten. Auch eine lang anhaltende Überversorgung mit Vitamin D und Calcium kann als Ursache von bleibenden Nierenschäden nicht ausgeschlossen werden. Beim Pferd spielt der Calcium-Phosphor-Haushalt eine grössere Rolle, als bei anderen Haussäugetierarten. Das überschüssige Calcium verlässt den Pferdekörper nicht durch den Darm, sondern über den Harn und damit über die Nieren. Pferde reagieren sehr empfindlich auf hohe Vitamin D-Verabreichung. Dies kann im Nierengewebe zur Einlagerung von unlöslichen Gebilden führen, die wiederum die Nieren schädigen. Die Nieren können auch durch Tumore, angeborene Fehlbildungen (wie beispielsweise Zystennieren etc.) geschädigt sein.

Vorsorge
Um die Pferdenieren in ihrer Funktion zu bewahren, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Pferde rund um die Uhr uneingeschränkten Zugang zu frischem Wasser haben. Nierentoxische Medikamente wie Antibiotika und Entzündungshemmer dürfen nur so viel und nur so lange wie wirklich nötig eingesetzt werden.

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