Katja Taureg, die Pferde-Dolmetscherin

von Linda von Euw - Katja Taureg lebte fünf Jahre in Amerika und lernte von Linda & Pat Parelli die Kunst des Pferdetrainings. Zurück in der Schweiz profitieren etliche Mensch-Pferd-Paare von ihrem Wissen. Ihre Parelli-Instruktoren-Lizenz hat sie letztes Jahr aber nicht verlängert.

Die junge Vollblutstute rennt rückwärts, steigt, will seitlich am Transporter vorbei. Am anderen Ende des 3.7m langen Seils steht wie ein Fels in der Brandung Katja Taureg. Ruhig, aber bestimmt dirigiert sie das Pferd nach links, nach rechts, rückwärts und vorwärts. So lange bis es im Transporter steht. Es ist still. Keine „hooos und brrrrs“ schwirren durch die Luft. Man hört nur die beschlagenen Hufe, die über den Boden trippeln. Die 34-Jährige Pferdetrainerin lobt das Pferd im richtigen Augenblick mit „in Ruhe lassen, eine Pause geben“. Ein Konzept ohne viele Worte, das funktioniert.

Einige Wochen später treffen wir uns im Café einer Autobahn-Raststätte. Nicht gerade das Arbeitsumfeld einer Pferdetrainerin. Als Verpflegungsstopp aber durchaus beliebt. Katja Taureg ist viel unterwegs, betreut sie doch über 80 Mensch-Pferd-Paare. Als sie das Café betritt, erkenne ich sie sofort: Sie trägt ihre Arbeitskleidung: Reithosen, wetterfeste Jacke, die langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.

Wir sitzen an einem der hohen Tische und trinken Latte Macchiato. Tauregs blauen Augen strahlen Ruhe und Klarheit aus – genau diese zwei Dinge sind ihr bei der Arbeit mit den Pferden wichtig. Ihre Stimme ist hell, aber fest.

Die gebürtige Deutsche wird häufig zu Verlade-Problemen hinzugezogen. „Das ist meistens nur die Spitze des Eisberges. Gerade beim Verladen zeigt sich, wie viel Vertrauen das Pferd in den Menschen hat und wie viel Respekt es ihm zollt. Kein Pferd steigt von Natur aus gerne in einen Transporter. Das Pferd ist ein Fluchttier, es braucht Platz, um wegzurennen. Der Anhänger ist ein kleiner, enger Kasten mit wenig Licht. Warum sonst sollte das Pferd da hinein, wenn nicht für seinen Menschen?“

Was Aikido mit Pferdetraining gemeinsam hat


Welches war ihr schwierigstes Pferd? Sie überlegt lange: „Da gibt es kein bestimmtes. Meistens passieren heftige Reaktionen in ganz alltäglichen Situationen. Dann, wenn man nicht darauf gefasst ist.“ Es gebe kein Schema F. „Jeder Mensch und jedes Pferd ist individuell.“ Die schwierigsten Tiere seien aber die, die sehr ängstlich sind und dann plötzlich umschwenken auf sehr fordernd. Solche Pferde-Charaktere brauchen vor allem eins: Klare Führung.

Genau wie bei der Kampfkunst Aikido, die Katja Taureg seit drei Jahren ausübt. Beim Aikido besteht das Ziel nicht darin, jemanden zu verletzen. Wenn aber jemand auf Zerstörung aus ist, versucht man diese Energie umzuwälzen. Wenn der andere angreift, muss man sich positionieren. Denn man kann nur stark sein, wenn sich der eigene Körper in Balance befindet. Aikido lehrt Katja Taureg viel über sich selbst. So befasst sie sich mit der richtigen Atmung. Was gerade bei der Arbeit mit Pferden eine wichtige Rolle spielt.

„Pferde reagieren sehr sensibel auf Schwingungen und können Menschen lesen. Sie spüren innerliche Wut oder Ärger. Das Pferd nutzt solche Emotionen auch ganz gezielt, um das Raubtier Mensch zu frustrieren. Das Pferd versucht herauszufinden, was der seltsame Zweibeiner für eine Absicht hat. Taucht in der Wildnis ein hungriger Bär auf, wird ein verletztes Pferd sofort aufhören zu lahmen. Keine Schwäche zeigen. So lange, bis der Bär frustriert aufgibt. Dasselbe Schema beobachte ich in vielen Mensch-Pferd-Beziehungen.“

Beeindruckt von der Einfachheit

Im Alter von fünf Jahren wurde Katja Taureg mit dem Pferdevirus infiziert. In ihren Jugendjahren besuchte sie das Rennreiterlager, entschied sich dann aber doch für eine Lehre als Bereiterin. Als Rennreiterin wäre ihr wohl auch ihre hochgewachsene Gestalt im Weg gestanden.

„Ich merkte schon bald, dass ich in meinem Beruf nicht mehr zufrieden war: Die Achtlosigkeit vieler Besitzer gegenüber dem Pferd, das Verkaufen, wenn es den eigenen Ansprüchen nicht mehr genügt oder noch schlimmer, wenn jemand das Tier einfach töten lässt.“ Katja Taureg beschloss, sich ihrer zweiten Leidenschaft zu widmen: Der musischen Kunst mit Schwerpunkt Illustration. 1999 wurde sie an der „Europa Akademie der Künste“ im Allgäu in Deutschland aufgenommen. Doch die Pferde liessen sie nicht los.

Taureg hatte schon immer eine Vorstellung davon, wie das Zusammensein mit Pferden sein sollte. Ihr fehlte aber der Zugang. „Ich las ein Buch von Klaus Ferdinand Hempfling, was mir aber eindeutig zu sektenhaft ist. Monty Roberts verhalf mir zur Erkenntnis, dass es auch noch eine andere Art gibt mit Pferden umzugehen. Bei dieser Lektüre vermisste ich aber die konkrete Anleitung zum Wie.“ Hilfe kam in Form ihres Sandkastenfreundes Michael Wanzenried. Der Amateur-Rennreiter und heutige Parelli-Instruktor kehrte von einem Aufenthalt bei den Parellis in Colorado (USA) zurück. Völlig begeistert bestellte er Katja Taureg zu sich, um ihr sein neu gelerntes Wissen zu demonstrieren. „Ich war beeindruckt von der Einfachheit dieser Methode. Ich dachte: Wow, wenn das jeder wüsste! Wie viel leichter hätten wir es dann mit unseren Pferden.“ In den nächsten Semesterferien im Jahr 2000 packte die Kunststudentin ihre sieben Sachen und reiste nach Amerika. Englisch konnte sie mehr schlecht als recht. Sie besuchte je einen Kurs bei Linda und Pat Parelli. Es bestand die Option, für drei Monate als working student zu bleiben. „Da muss man viel arbeiten und darf im Gegenzug dort sein und lernen“.

Das Parelli-System wurde weiterentwickelt

Ein Jahr später kehrte Katja Taureg für drei Monate nach Amerika zurück. Um im Jahr darauf – nach abgeschlossenem Kunststudium - für unbestimmte Zeit in Colorado zu bleiben. Sie wurde gefördert und erhielt die Chance, sich zu verbessern und zu lernen. 2003 beschlossen die Parellis ihr System weiterzuentwickeln. Das Augenmerk sollte noch mehr auf den psychologischen Aspekten des Pferd-Mensch-Paares liegen . Katja Taureg  bekam die Gelegenheit an der Erstellung des neueren Parelli-Programms mitzuwirken. Es soll Pferden und Menschen noch mehr Spass am Zusammensein bringen. „Freude ist das wichtigste. Wenn ein Tier mit Freude dabei ist, stellt sich der Gehorsam von alleine ein“, ist Katja Taureg überzeugt. „Zwei Jahre lang habe ich mit den besten Leuten an diesem Programm gearbeitet. Ich konnte meinen Horizont enorm erweitern. Mein Unterricht wurde dadurch viel effizienter.“

2007 verlängert Katja Taureg ihre Instruktoren-Lizenz nicht. Warum?  „Ich möchte mich mehr auf Privatlektionen fokussieren. Mein Unterricht hat sich verändert, ich habe viel von Amerika mitgenommen. Meine Wurzeln liegen im Parelli, aber mittlerweile habe ich meine eigene Art gefunden mit Pferden zu arbeiten. “

Auch Kinder profitieren von Pferden

Während der Zeit in Übersee hatte Katja Taureg die Gelegenheit mit internationalen Sportreitern zusammenzuarbeiten. „Ich möchte aber nicht wettkampfmässig reiten. Mir geht es um die Freundschaft mit dem Pferd und nicht darum, welchen Platz ich an einem Turnier belege. Gerade in Amerika unternehmen Menschen die verrücktesten Dinge, um ein Pferd noch weiter zu bringen. So gibt es Linsen für schlecht sehende Pferde und Nerven werden durchtrennt, damit das Westernpferd in der Prüfung den Schweif ruhig hält. Das ist doch Wahnsinn.“ 

Ein weiteres Thema, das ihr sehr am Herzen liegt, ist WOWPOW4U (Weitoffenes Walsertal Partnerschaft organisiert Weitblick 4beiner unwiderstehlich, siehe Kasten rechts).  Erst war sie ja von der Idee, etwas mit Kindern zu machen, gar nicht begeistert. „In Amerika stiess ich auf die Organisation Supercamp: Ferienlager für Kinder, wo jedes individuell gefördert wird. Die jungen Menschen werden in Lerntechniken geschult und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützt.“ Katja Taureg verbindet die Grundsätze des Supercamps mit dem natürlichen Umgang mit Pferden. „Nach zehn Tagen sind die Kinder wie ausgewechselt. Es ist faszinierend, zu sehen, wie die Ponys nach dem fünften Tag erwartungsvoll am Zaun stehen. Bei uns lesen die Ponys die Kinder aus. Die Vierbeiner bringen den Kindern genug Motivation, etwas an sich verändern zu wollen. Die Erfahrung zeigt, dass die Teilnehmer nach dem Camp so sein können, wie sie eigentlich sind: ehrlich, natürlich.“

Wo sieht Katja Taureg sich in 40 Jahren? „Definitiv immer noch in der Schweiz. Vielleicht besitze ich dann einen eigenen Hof.“ Ihre Augen leuchten und ihre Mundwinkel verformen sich zu einem schelmischen Lächeln. „Ich möchte mein Training gerne auf andere Tierarten ausweiten.“ Welche genau – dafür ist sie offen. Vielleicht ein Huhn? „Warum nicht? Katja, die Hühner-Dompteurin!“, aus dem Lächeln wird ein lautes Lachen. 

Wir sitzen noch immer am hohen Tisch. Der Latte Macchiato ist längst ausgetrunken. Ich schalte das Tonband aus, packe meine Schreibutensilien ein und mache mich auf den Weg in Richtung Auto. Ich freue mich schon auf mein Pferd - das steigt heute, dank der Hilfe von Katja Taureg, problemlos in jeden Pferdetransporter.

Mehr über Katja Taureg: www.taureg.ch

Linda von Euw (24) begeistert sich für alles, was mit Pferde zu tun hat und studiert Journalismus an der SAL (Schule für angewandte Linguistik) in Zürich. Sie besitzt die Dressurlizenz sowie die deutsche Besitzer-Trainerlizenz für Galopprennpferde und kümmert sich täglich um die verschiedensten Vollblüter. Allen voran Ramblin Angel, die alles nur kein Rennpferd sein will. Sie hat Linda vor allem eines gelehrt: Unermüdlich die Ursache erforschen und nicht einfach die Symptome bekämpfen.

Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von Noemie | 17.12.2008
Hallo Linda,
ich nehme schon längere Zeit Stunden bei Katja und war bis jetzt bei zwei wowpow4u-Camps dabei. Ich habe, mich wie im Artikel auch steht, wirklich total verändert.
Ich habe deinen Artikel gelesen und sofort Katja vor mir gesehen, wie sie da sitzt und dir über ihre Kariere berichtet...
Ich finde es schön deienen Artikel zu lesen, es hat mir grossen Spass bereitet!!!

Noémie
Kommentar von sandra.anderegg | 27.11.2008
Hallo Linda
Das ist ein super Artikel über Katja. Ich nehme noch nicht so lange Stunden bei Ihr, aber es ist das Beste was mir passieren konnte. Danke für diesen tollen Artikel.
Es Grüessli Sandra